Realität und Fiktion

Oder: Die Spielorte und wo sie zu finden sind

»Gibt es die Orte alle wirklich?«, »Warst du schon dort?« oder »Willst du da mal hin?« Erst am Wochenende hat eine Leserin sie mir diese Frage wieder gestellt und ich dachte mir: Warum das Thema nicht einfach mit in den Adventskalender packen? Das heutige Türchen bringt euch also in die Straßen von Paris – und in den Akten ist Frankreichs Hauptstadt das genaue Gegenteil vom verträumt-romantischen Klischee der unwissenden Bevölkerung. Ein Hexenkessel. Europas Hochburg paranormaler Kriminalität.

»Kopfsteinpflaster, gelbe Parkmarkierungen und wenige Geschäfte. Ein Antiquitätenhändler, ein Hotel, eine Boutique. Nichts großes oder Bekanntes. Die meisten standen ohnehin leer. Erst in Richtung der Kreuzungen fanden sich vermehrt Läden wie Bistros oder Restaurants, Apotheken und Bankfilialen.«

[Narrenlauf  – Seite 160]

Die Antwort ist ein entschiedenes Jein.
Man muss nicht zwingend kennen, was man schreibt, aber es macht es einfacher. Was Paris angeht: Dort war ich. Mehrfach. Und ich werde wohl immer mal wieder hinfahren. Schon beim ersten Besuch hat mich diese Stadt inspiriert, sodass ich beschloss, sie zur Heimat meiner Charaktere zu machen. Dabei weiß ich gar nicht so recht zu sagen warum. Das verklärte Bild der Stadt der Liebe hatte ich noch nie. Die Zentrale von Gris liegt im Norden der Stadt, nicht unbedingt eine malerische Ecke. Darauf kommt es mir auch gar nicht an. Irgendwie passen meine Geschichten für mich in die schmutzigen, auch mal verregneten Straßen ohne Glanz und Glamour.
Straßennamen, Plätze, Metrostationen et cetera entstammen also nicht nur meiner Fantasie. Sie existieren tatsächlich, genau wie die Parks und Sehenswürdigkeiten. Die privaten Gebäude gibt es in vielen Fällen hingegen nicht. Sie sind an reale Vorbilder angelehnt, könnten also tatsächlich genau so dort stehen, wenn man aber die Hausnummern sucht, wird man sie nicht finden. Aus voller Absicht, denn dort, wo ich in den Büchern Organisationen, Wohnungen und Büros untergebracht habe, befinden sich in Wirklichkeit natürlich ganz andere Dinge.

»Stadtpläne, Wanderschuhe und Kameras sah man tatsächlich genauso häufig wie schlichte Einkaufstüten. Die gesamte Szenerie vermittelte den Eindruck eines überdimensionalen Ameisenhaufens. Mit dem Unterschied, dass hier niemand einem gemeinsamen Ziel nachging. Abgesehen vom permanenten Konsum vielleicht.
Eine Gruppe asiatischer Touristen knipste begeistert das blaue Schild an der gefliesten Wand über uns, auf dem fünf weiße Buchstaben das Wort Opéra formten. Was auch immer so interessant an U-Bahn-Stationen war, dass man sie fotografieren musste.
Die digitale Anzeige verkündete, dass die nächste Metro der Linie 7 gleich einfahren sollte. Die würden wir nehmen.« 

[Narrenlauf  – Seite 211]

Den öffentlich zugänglichen Orten habe ich inzwischen allen einen Besuch abgestattet. Bin mit der Metro die Linien aus den Szenen gefahren und über die Seine geschippert, habe von Brücken geschaut und bin auf Hochhäuser gestiegen. Die meiste Mühe kostet es wohl herauszufinden, wie die Stadt vor zehn Jahren ausgesehen hat. Ich versuche mich weitestgehend an die Realität zu halten und das kostet einiges an Recherchezeit, ist aber auch unfassbar spannend.

Mit Tokio verhält es sich anders. Dort war ich leider noch nicht und kenne nur die Bilder, Videos und das, was Google Maps so ausspuckt.

»Die stumme Armee klobiger Wolkenkratzer in ihren Kettenhemden aus Spiegelglas reichte bis zum Horizont. Riesige Werbetafeln hingen an ihnen wie bunte Orden zweifelhafter Verdienste.« 

[Narrenlauf  – Seite 93]

Irgendwann hole ich das nach. Dann stehe ich selbst da und habe eine Kamera dabei, um alles zu dokumentieren. Apropos Kamera: Da ich inzwischen berufsbedingt eine besitze, wird mein nächster Parisbesuch wohl eine Stadttour der anderen Art beinhalten =D