Der Springer & der weiße König

Diese Woche habe ich euch schon einige der Charaktere aus den Akten vorgestellt. Fehlen eigentlich nur noch die Antagonisten. Wer seid ihr eigentlich (Part V) sozusagen. Dämonen verschwinden, Wandelwesen sterben in der Metro und nichtsahnende Magiebegabte werden von Lähmungen befallen. Im Grunde ist die Geschichte also ein Krimi. Noch dazu einer, der sich zu gewissen Teilen über drei Bände zieht. Um nicht zu spoilern, bekommt ihr deshalb kurzerhand zwei Schnipsel. Was es mit den Schachfiguren auf sich hat, müsst ihr dann schon selbst lesen =D

»Schiefgelaufen. Schon wieder! Dabei war er so sicher gewesen, dass es diesmal klappen würde!
Noch keiner der anderen hatte etwas Derartiges versucht. Eine vollkommen neue Strategie, ein einmaliger Zug. Die individuelle Lösung! Die Kombination aller Einzelteile, die der Meister sie gelehrt hatte.
Aber es war nicht mal jemand auf der Bildfläche erschienen.
Generalproben gingen immer schief. Genau das war es: sein letzter Test, die Probe aufs Exempel. Nun stand er im selbstverursachten Desaster und hatte alle Hände voll zu tun, die Sache wieder in Ordnung zu bringen.
Beim nächsten Mal funktionierte es bestimmt. Die Fehler von heute würde er nicht noch einmal begehen.
Leise Stimmen im Flur ließen ihn aufhorchen. Sein Puls schoss beim Gedanken an die noch nicht aufgelösten Zauber in die Höhe. Wer kam so spät her? Sämtliche Bauarbeiter waren bereits vor Stunden gegangen. Es gab hier oben nicht mal Strom. Hatte er sich verhört? Oder war ihm jemand auf den Fersen?
Panisch packte er seine Jacke und lief in die entgegengesetzte Richtung zum Treppenhaus. Die Scheibe der Tür war vorhin dank einem Teil der zerfetzten Zauber aus dem Rahmen geplatzt. Seine Schritte knirschten auf den Scherben, die sich als gläserne Nägel in die Schuhsohlen bohrten, während er so leise wie möglich die Stufen nach oben schlich. Abwartend kauerte er sich in eine Ecke.«

[Narrenlauf – Seite 30 f.]

»Der gewünschte Gesprächspartner ist derzeit nicht erreichbar. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht nach dem Signalton.«
Schon wieder. Immer noch. Der gefühlt zwanzigste Versuch.
Piep!
Er legte auf. Vollkommen zwecklos. Gestern Abend hätte der Springer bereits erscheinen sollen. Gestern! Es gehörte sich nicht für einen Schüler, Lehrstunden unbegründet zu verpassen. Auch nicht für ein magisches Talent wie ihn.
Das Handy landete polternd in der Schreibtischschublade, ehe er eine Schimpftirade von sich gab und ein Buch von der Tischkante fegte. Wie konnte er sich erdreisten …?
Zaghaftes Klopfen ließ ihn innehalten.
»Herein!« Übellaunig, schroff, abweisend. Dabei konnte die junge Frau, die den Kopf zur Tür hereinstreckte, nicht das Mindeste dafür.
»Wir … haben ihn … gefunden.«
Hatte ja lange genug gedauert. »Wo?«
»Sie hat ihn bei der Uni krankgemeldet. Er wurde nach einem ungeklärten, gesundheitlichen Problem direkt zu Untersuchungen ins Krankenhaus gebracht.«
Das ergab keinen Sinn. Das hätte er ihm mitgeteilt!
»Welches Klinikum?«
Sie stockte, musterte betreten den teuren Teppich seines Büros und holte tief Luft: »Wir wissen es nicht. Es sieht so aus, als ob er am Flughafen in eine Registrierung geraten ist. Bisher ist nur bekannt …«
Mit einem wütenden Aufschrei fuhr der Magier von seinem Sessel hoch. Diesmal flog nicht nur ein Buch zu Boden. Die Glaskaraffe vom Beistelltisch segelte durch den Raum, wo sie klirrend und spritzend am Wandschrank neben dem Fenster zerschellte.
»Raus!«
Sie ließ sich das nicht zweimal sagen.
Das Blut schien in seinem Innern zu kochen und ließ die Adern an den Schläfen deutlich pulsieren. Unfassbar! Das war noch nie vorgekommen!
Irgendetwas war aus dem Ruder gelaufen. Ausgerechnet sein bester Mann ertappt worden. Er würde seine Kontakte spielen lassen müssen.«

[Narrenlauf – Seite 184 f.]