In eigener Sache

oder auch: Ein Bericht über Unbekanntes, gegen Vorurteile und für mehr Offenheit
#krähezielt #sportwithhandicap

So was wie ein Disclaimer:
In diesem Beitrag geht es um Vorurteile und Missverständnisse zum Thema Sportschießen und letztendlich auch um eine Sparte dieses Sports für Menschen mit Behinderung, die bisher leider viel zu unbekannt ist.
Gedacht ist der Text als kurzer Einblick. Mein Versuch, eine breite Themenspanne etwas näher zu beleuchten, Fakten darzustellen und ein paar Missverständnisse und Vorurteile auszuräumen, da genau diese mich bisher davon abgehalten haben, auf meinen Social-Media-Kanälen über mein Hobby zu berichten. Sicher werde ich nicht alle Details ansprechen (dann wird das hier eindeutig zu lang), denn das ganz ist unheimlich komplex. Bei Fragen oder Anmerkungen könnt ihr mir natürlich gerne mailen. Ich werde versuchen alle Fragen zeitnah und ausführlich zu beantworten =D

Worum es geht?
Autorin, Journalistin, Leseratte, Freizeit-Konditorin, Sportschützin – wer meine Social-Media-Profile kennt, ist über diese Aufzählung sicher schon gestolpert. Zu allen Punkten findet ihr dort auch entsprechende Inhalte. Na ja, bis auf letzteren. Dabei bin ich zweifache deutsche Vizemeisterin und besitze inzwischen eine ganze Reihe von Urkunden, die Kreis- und Landesrekorde aufzählen. Bis zu dreimal pro Woche gehe ich ins Training und letztes Jahr feierten wir mit der Mannschaft den Aufstieg in die Bezirksliga. Bisher zählte all das hauptsächlich auf die private Seite meines Lebens. Aber warum eigentlich?
Sicher, es gibt keinen direkten Bezug zum Autorenleben. Andererseits gehören diese Erfolge genauso zu mir, wie die veröffentlichten Geschichten. Und eigentlich möchte ich sie genauso gerne teilen. Aber ehrlich gesagt, habe ich mich noch nie getraut.

Denn leider ist das Thema »Schießsport« in den Köpfen vieler Menschen sehr negativ besetzt. Vor ein paar Tagen habe ich ein Bild mit Zielscheiben und meinem Trainingsbuch auf Instagram geteilt und es hat keine 24 Stunden gedauert, bis Kommentare kamen, die von Reaktionen und Assoziationen zu diesem Sport erzählen, die mir nicht gefallen: Man wirke ja „suspekt“ (grade wenn man dann auch noch zu Krimis recherchiert) und müsse sich doch Gedanken machen, dass man bei einem Amerika-Urlaub nicht ins Land gelassen wird.
Die Existenz dieser Ansichten macht mich ehrlich gesagt ziemlich traurig. Weil dieses vermittelte Bild mit dem „gewissen Beigeschmack“ nicht stimmt. Vermutlich ist daran, unter anderem, die undifferenzierte Weise schuld, in der so manche Medien mit der Thematik umgehen. Auch das Geballer aus Film und Fernsehen ist zuhauf unrealistisch und gerne fehlerhaft. Man bekommt eine falsche Vorstellung vermittelt und »Waffengewalt« ist ein Wort, dass uns in diesem Zusammenhang dann häufig entgegenprallt. Bogen- oder Armbrustschießen gelten ab und an ja noch als »cool« oder »aufregend«, aber wehe, es geht um Pistolen oder Gewehre. Am ehesten wird es noch beim Biathlon akzeptiert. Aber sonst? „Wie kann man nur mit Schusswaffen hantieren?“ Im schlimmsten Fall kommen, sollte man sein Hobby erwähnen, Sprüche wie „Ah, die Amokläufer“ dazu. Beleidigend, wie ich finde. Dass besagte Gewalt genauso mit  einem Küchenmesser oder dem Hammer aus dem Werkzeugkasten ausgeübt werden könnte, fällt da genauso unter den Tisch wie die Tatsache, dass zur Kategorie der Schusswaffen mehr gehört, als Gewehre und Pistolen. Davon abgesehen, greifen die Assoziationen bezüglich »Waffengewalt« da absolut an der Realität vorbei. Sportschießen. Wie beim Biathlon, nur ohne Skilaufen – und in den verschiedensten Variationen. Aber der Grundgedanke bleibt derselbe.

Um das klarzustellen:
Egal mit welcher Waffe man als Sportgerät hantiert, der verantwortungsbewusste Umgang und eine fachkundige Unterweisungen sind essentiell. Deshalb gibt es klare Regeln und Gesetze, Vorschriften, Sachkundeprüfungen et cetera. Wer damit Missbrauch betreibt, hat in diesem Sport wie ich finde nichts verloren. Der sportliche Gedanke sollte immer im Vordergrund stehen. Es geht darum, Spaß zu haben, Erfolge zu erzielen, sich im Training zu steigern und gemeinsam mit der Mannschaft gegen andere Teams oder im Einzelwettkampf anzutreten.

Leider gründen viele Vorstellungen darüber auf Darstellungen, die häufig verallgemeinern und die Thematik viel zu reißerisch und dramatisch darstellen. Man muss sich regelmäßig rechtfertigen, erklären. Teilweise bekommt man dazu nicht mal die Chance, sondern wird gleich in eine hässliche Schublade befördert.
Sportschießen bedeutet nicht zwangsläufig, mit scharfer Munition zu »ballern« (da wären wir wieder bei der Action-Film-Variante). In meiner Disziplin schieße ich zum Beispiel mit einem Luftgewehr. Frei verkäuflich ab 18 Jahren. Eine Waffenbesitzkarte habe ich bisher nicht (der berühmt-berüchtigte »Waffenschein« ist übrigens genauso eine gern genutzte Verallgemeinerung. Das es sich tatsächlich um mehrere unterschiedliche Dokumente mit unterschiedlichen Zwecken handelt, wissen nur die wenigsten).

Und was machst du da jetzt eigentlich?
Im Grunde genommen mit der richtigen Technik und genügend Konzentration auf eine bestimmte Distanz so präzise wie möglich Löcher in Papierkarten stanzen.
Nicht mehr und nicht weniger.
Und das blind.
Nein, ihr habt euch nicht verlesen. In meiner Disziplin (Sehbehindertenklasse, Freihand – also frei stehend, ohne Auflage für das Gewehr) sehe ich mein Ziel tatsächlich nicht. Also, nicht nur, weil ich es auf die Entfernung mit meinen schlechten Augen nicht erkennen könnte, sondern weil ich eine lichtundurchlässige Brille trage. Gezielt wird über eine besondere Zieleinrichtung namens »Optronik«, die die Lichtsignale der speziell ausgeleuchteten Scheibe via Fotozellen in akustische Signale umwandelt und auf Kopfhörer überträgt. Grob gesagt: je höher der Ton, desto näher bin ich am Ziel. Eine Angelegenheit im Millimeterbereich. Der Schwierigkeitsgrad zum optischen Schießen ist vergleichbar.

Ziel ist es, egal ob man sich nun „normal“ also optisch oder (wie wir Menschen mit Sehbehinderung) akustisch orientiert, eine möglichst hohe Punktzahl zu erreichen. Da die Scheiben kreisförmig aufgebaut sind, spricht man von »Ringen«. Die Mitte zählt 10 Ringe, der nächste Ring 9, dann 8 und so weiter. Um euch eine Zahl zu nennen, unter der man sich etwas vorstellen kann: Beim letzten Training habe ich 390 von 400 möglichen Ringen und 586 von 600 möglichen Ringen geschafft.

So viel zum Sport an sich. Dann wäre da noch Anliegen Nummer zwei:
Wie das mit vielen Behindertensportarten so ist, hält sich der Bekanntheitsgrad stark in Grenzen. Im Saarland bin ich aktuell die einzige, die auf Wettkampfebene antritt. Deutschlandweit sind wir nur eine kleine Gruppe. Bedauerlicherweise. Und so geht es nicht nur unserer Disziplin, sondern auch jeder Menge anderer Sportarten mit Variationen für körperlich eingeschränkte Menschen. Allerdings gibt es auch genauso viele Unterschiede dabei. Deshalb bleibe ich mit diesem Bericht absichtlich in einem Metier, in dem ich mich auskenne – ich möchte nicht verallgemeinern.

Inklusion im Sport ist allgemein ein Thema mit vielen Pro und Contras. Manchmal gibt es tatsächlich keine Möglichkeit eingeschränkte Sportler bei der „Standardwertung“ einzubeziehen und ihre Leistung 1:1 zu vergleichen (alleine das ist ein sehr komplexer Bereich, über den es jede Menge zu berichten gibt). Wenn die Inklusion dann aber umzusetzen ist, etwa mit entsprechender Ausrüstung oder Begleitung etc – so wie im Fall seheingeschränkter und blinder Schützen – sind in vielen Bundesländern die Vereine trotzdem nicht bereit, das zu unterstützen. Bezogen auf unser Beispiel ist der Aufwand nicht mal besonders groß und die Gleichberechtigung nachweislich gegeben. Aber Unbekanntes wird schnell abgelehnt. Die Mühe wird sich nicht gemacht. Erst Recht nicht für einige wenige Leute. Wenn man es (so wie ich) in eine Mannschaft schafft, stößt man zudem auf Unverständnis in den Reihen anderer Teams. Manche testen es gerne und erkennen diese Variante auch an, aber die Bereitschaft sich mit solchen Themen auseinanderzusetzen ist bei nicht Betroffenen durchaus nicht immer gegeben. Ich muss auch nach  fünf Jahren immer wieder erklären und mich rechtfertigen. Wenn ich dann offen anbiete, sich diese Variante anzuschauen und auszuprobieren, wird doch meistens abgelehnt und belächelt. Ganz ehrlich? Da fühle ich mich alles andere als ernstgenommen. Tatsächlich kann diese Inklusion aber klappen. Ich kämpfe mich, mit der Unterstützung meiner Familie, meiner Freunde und natürlich der des Vereins, durch die Bürokratie und bestehe auf Gleichberechtigung, da sie in diesem Fall eindeutig umsetzbar ist, wenn man will. Inzwischen wird es mit jeder Saison leichter. Es lohnt sich für ein Hobby zu kämpfen. Ich war diese Saison zum Beispiel beste Einzelschützin der Bezirksliga (unter Schützen ohne Handicap). In diesem Jahr werde ich hoffentlich zum dritten Mal bei der Deutschen Meisterschaft in München teilnehmen. Und vor einiger Zeit habe ich es sogar in den Sportteil unserer Tageszeitung hier geschafft =D
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Andererseits muss man die Kraft und Geduld natürlich erst mal aufbringen. Auch deshalb habe ich entschieden, dieses Thema hier auf der Seite und in meinen Social-Media-Profilen aufzugreifen. In der Hoffnung, dass dieser Bericht dem ein oder anderen ein bisschen Mut machen kann, sich umzuschauen und neue Dinge auszuprobieren und für Außenstehende einen neuen Blickwinkel aufzeigt.